#26: B12 im Alter
„Carolin, ich habe gehört, B12 kann man im Alter nicht mehr aufnehmen. Stimmt das? Was mache ich denn jetzt?“ Ja, aber es gibt eine schöne Lösung. :-)
Hallo ihr Lieben,
dieser Artikel ist einer treuen Leserin gewidmet, richtet sich aber auch an alle…
… die sich vegetarisch/vegan ernähren
… über 55 Jahre alt sind
… PPI/Metformin nehmen
… an Hashimoto oder Nervenschmerzen leiden
… viel Stress haben.
(also quasi an alle. :-)) Es geht um Vitamin B12!
B12 benötigen wir für die Zellteilung und beispielsweise, um Folsäure zu methylieren (=aktivieren). Darüber hinaus kann B12 hochdosiert auch oxidativen Stress abfangen (=Scavanger-Effekt durch sogenanntes Quenching) und die Remyelinisierung von geschädigten Nerven unterstützen. Da wir Folsäure für die Produktion von Adrenalin & Noradrenalin benötigen, verbrauchen wir bei Stress vermehrt Folsäure und damit auch B12. Sind wir in einem Mangel, fällt es schwer, Glückshormone wie Dopamin und Serotonin herzustellen - denn auch hierbei wird Folsäure und damit B12 verbraucht.
Kurzum: Du fühlst dich depressiv oder gestresst? Dann brauchst du B12 und Folsäure! Und weil B-Vitamine sich alle irgendwie gegenseitig bedingen, sollte man B-Vitamine am besten im Komplex und breit versorgt einnehmen. Tipp: Enzymatisch können viele Leute Folsäure nicht optimal weiterverarbeiten, weil sie eine ungünstige Genetik aufweisen. Ich empfehle deshalb allen die methylierte, bioaktive Folsäure (Metafolin). Kostet zwar mehr, aber if you pay peanuts, you’ll get monkeys… wenn du also gute Qualität haben möchtest, ist die synthetische Folsäure nicht das, was du wählen solltest.
Übrigens: Ein Mangel an einem B-Vitamin führt quasi immer konsekutiv zu einem Mangel der weiteren B-Vitamine. Sie greifen wie Puzzleteile ineinander.
Merke: B12 ist wichtig! B-Vitamine sind wichtig! Für dein Nervenkostüm, deine Leistungsfähigkeit, deinen Schlaf und vieles mehr.
Leider ist die Resorption von B12 eine ziemlich heikle Angelegenheit. Gelingt die aktive Resorption nicht, weil dein GIT nicht gut aufgestellt ist (atrophische Gastritis, exokrine Pankreas-Insuffizienz, Typ-A-Gastritis, …), du Medikamente nimmst (z.B. Metformin oder einen Säureblocker) oder du schlichtweg älter bist, nimmst du B12 kaum mehr auf. Schätzungsweise 1% der aufgenommenen B12-Dosis landet dann noch in deinem Blut. Das ist echt wenig!
Was hat das mit dem Alter zu tun? Ganz einfach: physiologischerweise nimmt deine Magensäure- und Intrinsic-Faktor-Produktion zurück. Beides wird aber benötigt, um B12 zu resorbieren. Schätzungsweise 40% der Menschen Ü60 leiden an einem B12-Mangel. Auch bei Veganern sieht die Versorgung oft mies aus. Glücklicherweise haben wir einen großzügigen B12-Speicher. Im Blut würde ich übrigens die Messung von Holo-TC vorziehen; wenn du B12 messen lassen möchtest, sollte der Wert nicht nur im unteren Normbereich liegen. In diesen Fällen kann nämlich trotzdem schon ein B12-Mangel vorliegen, obwohl dein Wert noch in der Norm liegt.
Mein Tipp lautet deshalb: Probiere es doch einfach mal aus! Wenn du 1% von B12 resorbieren kannst, musst du dafür allerdings massiv überdosieren. Ich empfehle 1000-1500ug Hydroxocobalamin pro Tag gemeinsam (unbezahlte Werbung!) mit einem B-Komplex. Cyanocobalamin würde ich persönlich nicht wählen. Viele merken nach 2-3 Wochen einen echten Energieschub; ich habe regelmäßig Patienten, deren Parästhesien oder Gangunsicherheit verschwinden. Klingt gut? Ja, ist es auch!
Bei einem B12-Mangel fällt übrigens auch vermehrt Homocystein an und die Bildung von Antioxidantien und entgiftenden Stoffen wie Taurin und Glutathion sind gestört. Homocystein selbst ist ziemlich schädlich und kann dann nicht abgebaut werden. Es schädigt nicht nur deine Gefäße, sondern auch Nervenzellen und vieles mehr.
Insofern: Jap, B12-Resorption ist leider heikel und im Alter oft ein Thema. Mein Tipp: Probieren geht über studieren.
Herzlich
Deine Apothekerin des Vertrauens
Carolin
P.S. Für alle, die es genauer wissen wollen: Bei B12 ist die aktive Resorption abhängig von HCl und Intrinsic factor. Die aktive Resorption ist limitiert, die passive Resorption beträgt Dosis-unabhängig ungefähr 1 %. Viel hilft also viel!
Ich persönlich wähle kein Cyanocobalamin, weil ich es suspekt finde, einen Wirkstoff mit Blausäure zu wählen. Womöglich wird dieser auch rascher über die Niere ausgeschieden…? Wenn man es aber ganz genau nehmen will, ist die zugeführte Blaugruppe aber tatsächlich vernachlässigbar:
“Zum Einsatz von Cyanocobalamin und die dadurch möglicherweise resultierende Toxizität des Ligan- den Cyanid können wir Folgendes feststellen: Das wissenschaftliche Gremium des EFSA hat festgestellt, dass die tägliche Aufnahmemenge von HCN bis zu 372 mg/Person beträgt [1].
Diese Cyanidexposition wird als wahrscheinlich untoxisch angesehen. Die Menge CN, die gebunden in 1000 mg Cyanocobalamin aufgenommen wird, beträgt 19,2 mg. Daher ist die weitere Verwendung von Cyanocobalamin als Arzneimittel selbst in hohen Dosierungen absolut vertretbar.” Margot Lieberherr,