#34: Psychoneuroimmunologie
Psycho-was? Keine Sorge, das wird keine Sitzung auf der Psychocouch. Aber Stress, Immunsystem, Darm und Co sind komplex verzahnt. Ich erkläre dir Tricks - und wieso der Morgen-Kaffee 1h warten soll..
Lieber Leser,
nach längerer Pause endlich wieder ein Newsletter von mir - und das Thema ist wirklich super spannend, versprochen!
Ich beschäftigte mich beruflich intensiv mit Insulinresistenz (wer meinen Fachvortrag sehen will: KLICK ) - und wusstest du, dass Alzheimer-Demenz sogar als Diabetes Typ 3 bezeichnet wird, weil hierbei ebenfalls eine Insulinresistenz im Gehirn im Zentrum der Erkrankung ist? Das Enzym IDE (Insulin-degrading Enzyme), das im Gehirn Amyloid-Plaque abbaut, ist tückischerweise genau das gleiche Enzym, das auch Insulin abbaut. Zirkuliert sehr viel Insulin, wird bevorzugt Insulin abgebaut… und das Beta-Amyloid kumuliert munter vor sich hin.
Chronische niedriggradige Entzündungen (silent inflammation) tragen wesentlich zur Entstehung von Insulinresistenz bei. Der Darm ist ein entscheidender Treiber von silent inflammation.
Im Grunde ist alles immer das gleiche:
Oxidativer/nitrosativer Stress → Entzündung → Dysbalancen in Enzymen/Neurotransmittern/Fehlfunktionen von Rezeptoren → noch mehr oxidativer/nitrosativer Stress und Entzündung → noch mehr Mikronährstoffverbrauch → Teufelskreis →→ das System kippt.
Ob Hypertonie, Depression, Diabetes oder Demenz: Im Fokus steht eine silent inflammation mit oxidativem Stress. Der Fachbereich der Psychoneuroimmunologie geht sogar noch weiter und nimmt das Thema psychischen Stress mit rein:
Die Psychoneuroimmunologie (PNI) beschreibt, wie psychische Prozesse (z. B. Stress, Emotionen, Gedanken) über das zentrale Nervensystem (ZNS), das endokrine System (Hormone) und das Immunsystem miteinander kommunizieren und sich gegenseitig beeinflussen.
Diese drei Systeme sind biochemisch verbunden über:
Neurotransmitter (z. B. Serotonin, Noradrenalin, Dopamin)
Hormone (z. B. Cortisol, Adrenalin, Melatonin)
Zytokine (z. B. IL-6, TNF-α, IL-1β)
(Du willst mehr wissen? Lese gerne das P.S.!) Zunehmend wird auch der Gastrointestinaltrakt als integraler Bestandteil dieses Regulationssystems erkannt (Mikrobiom-Darm-Hirn-Achse). Denn Stress schädigt sofort die engen Zell-Zell-Kontakte zwischen den Darmepithelzellen (Tight junctions), sodass es zu einer erhöhten Darmpermeabilität mit allen Folgen kommt: noch mehr Immunstimulation, Zytokinfreisetzung und damit pro-entzündliche Prozesse. Ach Mist - und mehr AGEs nimmt man dann auch noch über den Darm auf, die über sogenannte RAGE-Rezeptoren noch mehr oxidativen Stress und Entzündung fördern. (Was AGEs nochmal sind? Röstaromen im köstlichen getoasteten Brot oder auch bei Grillfleisch und co, um nur einige Beispiele zu nennen.)
Zurück zu Alzheimer-Demenz, dem Amyloid-und Insulin-abbauenden Enzym IDE und einem pragmatischen Beispiel anhand von etwas so “banalem” wie Zinkmangel: Denn das Enzym IDE benötigt Zink. Zinkmangel reduziert die Aktivität des Enzyms. Zinkmangel wiederum beeinträchtigt die Insulinwirkung und führt zu einer Insulinresistenz, sodass kompensatorisch mehr Insulin zirkuliert, das dann wiederum nur defizitär durch jenes (Zink-abhängige!) Enzym abgebaut werden kann, das ja eigentlich auch noch unsere Amyloid-Aggregate abbauen sollte, … (Ein Zinküberschuss kann übrigens ebenfalls Insulinresistenz auslösen, Vorsicht also vor unkontrolliert hohen Dosen! Das bringt auch den Kupfer-Haushalt durcheinander.)
Ach, und erwähnte ich, dass Zink auch den Serotoninrezeptor moduliert und ein Zinkmangel daher:
den Serotoninspiegel senken,
die Melatoninbildung (aus Serotonin) behindern
Schlafqualität verschlechtern kann?
Natürlich mit allen Folgen: Dünneres Nervenkostüm und schlechterer Schlaf bedeuten auch vermehrt proentzündliche Zytokine, schlechtere Immunfunktion, weniger Tiefschlaf (ausreichend Tiefschlaf wäre aber nötig für ein gut funktionierendes glymphatisches System, Amyloid-Abbau und vieles mehr), mehr Cortisol etc. Melatonin wiederum ist ein hochpotentes Antioxidans - und das fehlt ja ebenfalls. Et voila: wieder ein Teufelskreis.
Gute Zinkquellen findest du sowohl in tierischen als auch in pflanzlichen Lebensmitteln – allerdings ist Zink aus tierischen Quellen für den Körper besser verfügbar (höhere Bioverfügbarkeit), weil pflanzliche Nahrungsmittel oft Phytinsäure enthalten, die die Zinkaufnahme hemmt. Gute Zink-Quellen sind etwa Eier, Nüsse, Linsen, Haferflocken, Fleisch, Käse, Leber, Meeresfrüchte.
Tipp: Phytinsäure kannst du durch Einweichen, Fermentieren oder Keimen deutlich reduzieren und so die Zinkaufnahme optimieren. Stichwort Overnight-Oats. :-)
Photo by Andrea Tummons on Unsplash
Kaum vorstellbar, wie die körperliche Situation aussieht, wenn sich dazu noch ein Magnesiummangel, eine unzureichende Vitamin-C-Versorgung, ein Mangel an B-Vitaminen, … gesellt. Ach Mist: Das alles wird bei Stress ja auch um ein Vielfaches mehr verbraucht! Et voila, sind wir wieder im Teufelskreis. Siehst du? Psychoneuroimmunologie verknüpft wirklich alles mit allem.
Daher mein Appell: Stress rausnehmen und die Stressachse berücksichtigen! Wie das geht? Hier ein paar Impulse, die nichts kosten:
Kaffee lieber erst nach 60-90 Minuten trinken, denn Kaffee erhöht Cortisol. Der morgendliche Cortisol-Peak ist ohnehin direkt nach dem Aufstehen, idealerweise zwischen 6-8h morgens. Dann noch eine Schippe mehr drauf durch Kaffee? Das ist zu viel und übersteuert/dysreguliert das System. Plus: Etwaiges Rest-Melatonin sollte erst abgebaut werden, um nicht auch noch den zirkadianen Rhythmus durcheinander zu bringen.
Es gibt Top-down- und Bottom-up-Methoden. Idealerweise werden diese kombiniert: Entspannungstechniken wie Meditation, Achtsamkeits-basierte Übungen (Top-Down) und als Bottom-up-Methoden beispielsweise Taktatmung (4-7-8, siehe mein älterer Artikel), Sport, Kälte- oder Wärmereiz und Vagus-Aktivierung nutzen, um langfristig das Stress-Niveau zu senken.
Schlaf, Sport und gesunde Ernährung priorisieren
Vagus-Stimulation durch Summen, Gurgeln, Singen :-)
Vagale Regulation durch Schaukeln (da springt unser vestibuläres System an)
Binaural Beats nutzen: diese Musik kann nachweislich die Hirnwellen beeinflussen, die HRV erhöhen und Cortisol senken
Thymus-Klopfen
Oxytocin: Kuscheln, kuscheln, kuscheln! :-)
nicht kostenlos, aber sicher nicht umsonst: auf eine gute Mikronährstoffversorgung achten, wie Zink gezeigt hat.
Ich möchte es also gerne so zusammenfassen: Druck rausnehmen und den Fokus auf genießen lenken. Dein Körper dankt es dir!
Herzlich,
die Apothekerin deines Vertrauens
Carolin
P.S. Für alle, die es genauer wissen wollen:
Psychischer und physischer Stress (Stichwort Übertraining!) aktivieren die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse), was zur Ausschüttung von Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH), adrenocorticotropem Hormon (ACTH) und schließlich Cortisol führt. Eine chronische Aktivierung der HPA-Achse führt häufig zu einer Glukokortikoidresistenz peripherer Immunzellen → proinflammatorisches Milieu → Interleukin-6 (IL-6), Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und Interleukin-1β (IL-1β). Diese Zytokine beeinflussen übrigens scheinbar auch zentrale Prozesse im limbischen System. Sie führen zusätzlich zu Veränderungen im Tryptophan-Kynurenin-Stoffwechsel, stören damit die Serotoninsynthese und es fallen vermehrt neurotoxische Metabolite wie Quinolinat an. Relevant ist auch die Beeinträchtigung der intestinalen Barrierefunktion durch Stress. Die Freisetzung von CRH sowie proinflammatorischen Zytokinen führt zu einer veränderten Expression von Tight Junction-Proteinen(z. B. Claudin-1, Occludin, ZO-1). Dadurch kommt es zur erhöhten parazellulären Permeabilität: → vermehrte Durchlässigkeit für Lipopolysaccharide (LPS) → LPS wiederum aktiviert über TLR4 (Toll-like-Rezeptor 4) weiter die systemische Entzündung → noch mehr IL-6 und TNF-α → die ZNS-gesteuerte Stressantwort wird noch mehr verstärkt. (LPS befeuert übrigens auch zu Insulinresistenz…
🤩👏🏼💪🏼🧡