#35: Schlaf als Dreh- und Angelpunkt
Na, gut geschlafen? Bei Melatonin geht es um mehr als nur schnelles Einschlafen. Warum du deinen Schlaf priorisieren solltest.... und ich Melatonin supplementiere, obwohl ich super schlafe :-)
… na, gut geschlafen? Bist du morgens fit?
Lieber Leser,
ich war - zugegeben arrogant - immer stolz darauf, dass ich wunderbar schlafen kann. Hinlegen und sofort einschlafen mit super Tiefschlaf, tolle Schlafarchitektur - end of story. Schlafe ich mal nur 4h? Kein Problem, in der nächsten Nacht kann ich es mit >2h Tiefschlaf ausgleichen. Dachte ich.
Stimmt nicht. Leider :-)
Ich konnte immer super einschlafen - also brauche ich kein Melatonin. Dachte ich. Stimmt nicht? :-)
Mhm, ich supplementiere jetzt doch Melatonin. Warum? Das erkläre ich dir gern!
Doch dafür räume ich erst mit ein paar Mythen auf:
Mythos 1: Melatonin brauchen wir nur zum Einschlafen.
Mythos 2: Melatonin macht abhängig! (Zum Glück nicht! Die Rezeptoren normalisieren sich schon binnen 24h wieder, es ist Licht-gesteuert. Kein Gewöhnungseffekt!)
Mythos 3: Schlaf kann nachgeholt werden. (Ja, Schlafdruck wächst - aber Nachholen? Nope, leider nicht.)
Melatonin kennt man vor allem als das „Schlafhormon“, das unseren Tag-Nacht-Rhythmus steuert. Doch dieses Hormon, das in der Zirbeldrüse produziert wird, hat viel tiefere und komplexere Wirkungen, die auch auf zellulärer Ebene eine wichtige Rolle spielen – unter anderem bei der DNA-Reparatur, im Hormonhaushalt und im Stoffwechsel. (Du nimmst einen Betablocker ein? Ups, auch da könnte es Schwierigkeiten geben. Denn die Freisetzung/Synthese erfolgt über Betarezeptoren….)
1. Melatonin und die DNA-Reparatur
Melatonin wirkt antioxidativ und schützt unsere Zellen vor freien Radikalen (reaktive Sauerstoffspezies (ROS)), die durch Umweltfaktoren wie UV-Strahlung oder Stress entstehen können. Stress ist dabei sowohl psychisch als auch auf zellulärer Ebene gemeint.
Diese ROS können die DNA schädigen, was zu Mutationen und langfristig zu Krankheiten wie Krebs führen kann. Melatonin fördert dabei nicht nur die Neutralisierung dieser Radikale, sondern unterstützt auch die Aktivierung von DNA-Reparaturmechanismen. Also: Reparatur rauf, Schäden runter. Eine Studie zeigte, dass 3 mg Melatonin bei Nachtarbeitern die DNA-Reperatur um den Faktor 1,8 steigern konnte…
Plus: Schon eine Nacht Schlafentzug mit nur 5 Stunden Schlaf senkt die Aktivität natürlicher Killerzellen beträchtlich! Die NK-Zellen brauchen wir ebenfalls bei der Bekämpfung von Tumorzellen (sowie von Virusinfektionen). Ja, Schichtarbeit und Schlafmangel erhöht das Krebsrisiko, falls du das noch nicht wusstest.
2. Melatonin und der Hormonhaushalt
Melatonin ist Schlüsselregulator im endokrinen System. Es beeinflusst Cortisol (=“das Stresshormon) ebenso wie die Sexualhormone. Über seine Wirkung auf die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse moduliert Melatonin die Ausschüttung von Gonadotropinen (LH und FSH), die für die Fruchtbarkeit und den Menstruationszyklus wichtig sind. Du hast PCOS? Eine Studie mit 2mg abends konnte binnen 8 Wochen die männlichen Hormone senken und auch die Insulinresistenz verbessern. Magnesium mit 300mg/Tag konnte den Effekt nochmal verstärken.
Durch die Regulierung des Cortisolspiegels kann Melatonin außerdem Stressreaktionen abmildern und stabilisiert so insgesamt den Hormonhaushalt.
3. Melatonin und Leptin
Leptin wir vor allem im Fettgewebe produziert und signalisiert dem Gehirn, wie viel Energie im Körper gespeichert ist – es reguliert also Appetit und Energieverbrauch. Vereinfacht gesagt: Viel Leptin = wenig Hunger, denn Leptin dämpft den Appetit. (Weitere Hormone sind Ghrelin und Adiponectin, die hormonell Hungergefühl und den Energieverbrauch mitsteuern.) Melatonin fördert dabei die Leptin-Freisetzung.
Das zeigt sich nicht nur in Theorie, sondern auch im Versuchslabor mit Probanden, die im Schlaflabor unter akuten Schlafentzug gesetzt wurden. Das führte zu messbaren hormonellen Veränderungen: niedrigeres Leptin, erhöhtes Ghrelin und Adiponectin. Diese Kombi führt klassischerweise zu einem gesteigerten Hungergefühl und einer erhöhten Kalorienaufnahme…
Mein Call for Action: Nicht (nur) Melatonin supplementieren, sondern Schlaf priorisieren!
Verdammt ja, es ist schwierig, aber es muss “einfach” ausreichend Zeit für Schlaf zur Verfügung stehen. Mein Tipp: Messen, korrigieren, messen - z.B. mit dem Oura-Ring. Du brauchst jede Nacht 1,5h Tiefschlaf, Minimum. Die meisten brauchen etwas mehr als sechs Stunden… 7-8 Stunden dürfen es ruhig sein.
Wenn du also konstant erst um Mitternacht ins Bett gehst und der Wecker morgens um 6h klingelt, ist der Call-for-Action bitte nicht, dass du dir Melatonin bestellst. Sondern dass du früher ins Bett gehst und gegebenenfalls noch etwas mit Melatonin nachhilfst. :-) (Und ja, wenn ich mal wieder bis 1h morgens wach bin, nehme ich mittlerweile gezielt 3mg Melatonin. Zum Einschlafen brauche ich das nicht! Aber um die DNA-Reparatur zu optimieren und die Schäden abzudämpfen, die aus Schlafentzug resultieren.)
Bei mir ganz persönlich zerschießt es meinen Schlaf, wenn ich…
… zu spät abends hochintensiven Sport treibe
… nach 19h esse
… nach 18h Alkohol trinke, auch 0,1l Wein ist dann zu viel.
Perfekt schlafe ich, wenn ich…
… genug Schlafdruck aufgebaut habe und zwischen 21-22h einschlafe
… abends Handy-Detox (oder besser: Social media-Detox. An meinem Roman oder Texten schreiben stört meinen Schlaf sogar bis unmittelbar vor dem Einschlafen nicht)
… Dinner-Cancelling oder abends nur “leichte” Küche (Achtung: Auch Salat ist da eher suboptimal!)
Und bei dir? Schreib es mir gerne in den Kommentar!
Deine Apothekerin des Vertrauens
Carolin
P.S. Für alle, die es genauer wissen wollen: Biochemisch gesehen steigert Melatonin die Expression von DNA-Reparaturenzymen, wie z.B. der Poly(ADP-Ribose)-Polymerase (PARP), die beschädigte DNA-Stränge erkennt und repariert. Das lässt sich auch im Urin messen, nämlich anhand des Kreatinin-adjustiertem 8-Hydroxy-2’-deoxyguanosin (8-OH-dG) als Indikator von oxidativem DNA-Schaden-Reparaturkapazität. Je höher die Konzentration, desto besser. :-) Andere Melatonin-Derivate scheinen ebenfalls neuroprotektiv zu wirken und die mitochondriale Funktion zu verbessern…


sehr interessanter Artikel. Nimmst du Melatonin am morgen oder von einschlafen? Da ich nicht verstanden habe :’)
Mega spannender Artikel.
Vielen Dank